Die Flugzeugmotorenreparatur und Paul Henze

Im Laufe des Krieges beschloss die Heeresverwaltung, Steigers Betrieb für den Kriegsbedarf auszuweiten und entschied, daß in Burgrieden nunmehr auch Flugzeugmotoren von Jagdflugzeugen repariert und instandgesetzt werden. Walther Steiger wurden weitere Maschinen und Geräte zur Verfügung gestellt.

 

Trotz seiner überragenden, autodidaktisch erworbenen Fähigkeiten auf technischem Gebiet, war Walther Steiger in erster Linie Chemiker und die weiter herangetragenen Auf- gaben überforderten ihn. Die Heeresverwaltung entschloss sich deshalb, die technische Leitung des Betriebes dem Konstrukteur Paul Henze zu übertragen. Paul Henze wurde im Jahre 1916 nach Burgrieden zwangsverpflichtet.

Die berufliche Laufbahn von Paul Henze kann bis ins Jahr 1903 zurückverfolgt werden. Sein erster Arbeitsplatz war bei der Firma Max  Cudell in Aachen, einem Automobilhersteller. Im Jahre 1905 gründete Henze im belgischen Nessonvaux bei Lüttich zusammen mit dem Metallurgique-Generalvertreter in Köln, Adrienne G. Piedbouef, die Firma Imperia. Dort konstruierte er Automobile mit Vierzylindermotoren, die über Ketten angetrieben wurden. Von 1910 bis 1912 ging Paul Henze nach Böhmen zu der neugegründeten Reichenberger Autofabrik (RAF). In Reichenberg war Henze als Chefkonstrukteur tätig. Die dort gebauten Fahrzeuge wiesen sehr viele Ähnlichkeiten mit den Imperia Fahrzeugen auf. Im Jahr 1913 ging Henze wieder zurück zu Imperia.

Als leitender Konstrukteur hatte er den Auftrag, Hochleistungswagen zu bauen. Das Modell „Abadal“ war ein Auftrag des spanischen Automobilhändlers Abadal aus Barcelona. Nach einer kurzen Beschäftigungszeit in Sulz im Elsaß wurde Paul Henze im Kriegsjahr 1916 durch die Heeresverwaltung nach Burgrieden zwangsversetzt.

   

Seltenes Bild mit Paul Henze (direkt unter der Nabe), 2. von rechts ist Walther Steiger

Paul Henzes Bruder Max war ebenfalls im Betrieb beschäftigt. Er soll im kaufmännischen Bereich tätig gewesen sein. Sonst ist über ihn wenig bekannt.

Im Jahr 1922 wechselte Paul Henze zur Firma Simson im thüringischen Suhl über. In der ehemaligen Waffenschmiede konstruierte und baute er den „Simson-Supra“. Diese Weiterentwicklung des Steigerwagens wurde wie sein schwäbisches Vorbild sehr bekannt und erfolgreich.

In dem Buch „Autos aus Suhl“ aus dem Jahr 1988 von Oberingenieur Ewald Dähn wird Paul Henze folgendermaßen beschrieben: 

Nach achtjähriger Tätigkeit für Simson verließ Paul Henze das Werk. Henze hat auf Grund seiner langjährigen Erfahrung und seines Ideenreichtums einen großen Beitrag zur technischen Perfektionierung des Automobils geleistet. Acht Jahre, das war die längste Zeit, die es Henze in seiner bisherigen Konstrukteurstätigkeit in einem Betrieb ausgehalten hatte - und dies ist als Zeichen dafür zu werten, daß er in Suhl ein gutes Arbeitsklima vorgefunden hatte, mit den für ihn so überaus wichtigen Entscheidungsfreiheiten. Die Gründe für sein Ausscheiden konnten nicht ermittelt werden. Bei Henzes Vorliebe für knifflige Entwicklungsarbeit an Hochleistungsmotoren kann man aber vermuten, daß ihn die letzte Zeit zunehmend von Simson-Ökonomen beeinflusste Entwicklungsrichtung veranlasste, sich ein anderes Betätigungsfeld zu suchen. Zu allen Zeiten war Henze kein bequemer Partner, weder für seine Mitarbeiter noch für seine Vorgesetzten. Der Mann, den man nur mit Hut kannte, war von seinem Können überzeugt, und er zeigte dies in seiner Haltung gegenüber jedermann. Es wurde gesagt, daß er selbst Arthur Simson gegenüber nicht die damals übliche Unterwürfigkeit gezeigt habe. Er habe ein Gespräch mit diesem abgebrochen, wenn es ihm beliebte, habe seinen Hut gezogen und sich verabschiedet, ohne Rücksicht darauf, ob sein   Direktor noch weiter diskutieren wollte oder nicht. Paul Henze muß ein unruhiger Typ gewesen sein, der es nirgendwo lange aushielt. Nicht umsonst ist er daher auch im „Guinnes Book of Car, Facts & Feats“ als Rekordhalter bei den Automobilkonstrukteuren genannt, der sehr häufig seine Arbeitsstelle gewechselt hat.

Paul Henze mit Melone und links daneben Walther Steiger an einem Versuchsmotor.

Nach seiner Tätigkeit in Suhl wechselte Henze 1928 nach Hameln zu den „Selve-Werken“. Im Jahr 1929 war er bei der Firma „NAG“ in Berlin beschäftigt, wo er V8 Motoren entwickelte.

Zu seiner Person kann - dank des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes in München - weiter festgehalten werden: Paul Henze wurde am 12. Dezember 1880 in Fürstenwalde/ Spree geboren. Seine Postanschrift wurde mit Königsberg/Ostpreußen angegeben. Er starb am 26. Juli 1966 in Moosburg/Oberbayern.