Einige kleine Anekdoten

Walther Steiger ging gern in die Weinstube „Zum Hasen“ im vier Kilometer entfernten Laupheim. Als Walther Steiger eines Abends wieder nach Laupheim zu einem Dämmerschoppen fahren wollte, wurde er durch eine Panne am Fahrzeug aufgehalten. An seinem Tourenwagen löste sich eine Radschraube, die normalerweise durch einen schweren Bleihammer angezogen wurde. Das herrenlose Rad setzte ohne das Fahrzeug seinen Weg fort und landete mitsamt einem Bauern, der auf dem Heimweg von Burgrieden nach Laupheim war, im Straßengraben. Wie Walther Steiger dann berichtete, hatte der Bauer nur noch den Griff seines Regenschirmes in der Hand und stammelte etwas vom Teufel. Das Wagenrad hatte den Bauern an seinem Hinterteil in den Straßengraben befördert, doch blieb er wie Walther Steiger unverletzt. Nach der Bergung des Bauern und der Reparatur des Autos tranken sie auf diesen Schreck ordentlich einen über den Durst. Nach einigen „Schorlen“ wurde der Bauer von Walther Steiger heimgefahren und alles schien vergessen zu sein. Einige Nachbarn des Bauern meinten jedoch, er solle den wohlhabenden Fabrikanten Steiger anzeigen, denn da könnte er noch was rausschinden. Bei der Polizei gab dann der „Geschädigte“ an, daß sein teurer Ledermantel und sein Regenschirm durch den Unfall beschädigt worden seien.     Jedoch konnte der Bauer keinen kaputten Ledermantel vorweisen, da er nie  einen besessen hatte. Von Walther Steiger bekam er nur den Regenschirm ersetzt.

Für weitere Anekdoten sorgte der Sohn von Walther Steiger. Wie schon erwähnt, „borgte“ er sich Prüf- und Einstellwerkzeuge aus der Abteilung Qualitätskontrolle, die er zum Spielen in sein Zimmer mitnahm.

Walther Steiger Junior war ein Lausbub wie man ihn sich vorstellt. Doch einige Streiche waren ungewollt und wenn man darüber nachdenkt, kann man dem kleinen Walther nicht die Hauptschuld geben.

 

Ein Glanzstück ist dabei die Geschichte mit dem abgepfiffenen Zug.

Die Mutter von Walther, Elsa Steiger, fuhr öfters nach Ulm, um Einkäufe zu erledigen. Als Elsa Steiger wieder einmal nach Ulm fuhr, fragte sie ihren Sohn, ob sie ihm etwas mitbringen solle. Der kleine Walther erinnerte sich an seine tägliche Zugfahrt nach Laupheim und wünschte sich so eine kleine Trillerpfeife, wie sie der Schaffner hatte. Als seine Mutter am Abend nach Hause kam, brachte sie die gewünschte Trillerpfeife mit. Am nächsten Tag, als Walther mit dem Zug in Laupheim am Bahnhof ankam, wollte er seine Trillerpfeife auch gleich mal ausprobieren. Er pfiff, wie der Schaffner jeden Morgen, einmal kurz und einmal lang. Er konnte es - dies bestätigte der daraufhin abfahrende Zug, der erst kurz gehalten hatte und bei dem die Fahrgäste noch ein- und ausstiegen. - Die erste Tracht Prügel bezog Walther von seinem Lehrer, denn in der Schule war schon bekannt, daß Steiger’s Walther den Zug abgepfiffen hatte. Den zweiten Teil der Prügel bekam er dann von seinem Vater, der natürlich auch schon davon wußte. Der dritte und härteste Teil der Strafe erwartete ihn am nächsten Morgen: Der Heizer und der Schaffner des „Rottalmolle“ warteten schon auf dem Weg vom Elternhaus zum Bahnhof auf ihn und nahmen ihn in Gewahrsam, um ihn dem Bahnhofsvorsteher vorzuführen. Nach einer gründlichen Ermahnung nahm dieser dem kleinen Walther seine Monatsfahrkarte weg, dabei war es erst Monatsanfang! Walther Steiger mußte einen Monat lang die fünf Kilometer in die Schule zu Fuß gehen. Seine neue Trillerpfeife büßte er ebenfalls ein.

 

Einmal ließ sich Walther Steiger zu einer Betriebssabotage verführen. Am 27. April 1924 fand in Italien das weltbekannte Targa-Florio-Rennen statt und die Steiger-Mannschaft wollte ebenfalls daran teilnehmen. Es wurden also fünf oder sechs Fahrzeuge vorbereitet, um nach Sizilien fahren zu können. Die Rennautos  waren in gut verschlossenen Garagen für die Abfahrt vorbereitet worden. Ein Freund des kleinen Walther, der ein paar Jahre älter war als er, wurde von seinem Vater beauftragt, mit dem jungen, unerfahrenen Steiger doch Luft aus den Reifen der Fahrzeuge abzulassen. Der Vater des älteren Jungen war im Steigerwerk als Ingenieur beschäftigt, doch bezog er auch von einer anderen Autofirma ein Gehalt. Der junge Walther Steiger ging ohne nachzudenken zum Pförtnerhaus und holte den Schlüssel zu den Garagen. Wie ihm gesagt worden war, ließ er aus sämtlichen Reifen die Luft raus. Die Werksfahrer mit Walther Steiger sen. an der Spitze wollten am nächsten Morgen sehr früh losfahren, doch es gab einige Aufregung wegen der platten Reifen. Man wußte nicht, ob die Reifen zerstochen worden waren. Deshalb wurden alle Reifen von der Felge montiert um sie auf Löcher überprüfen zu können. Einige Stunden später konnte die lange Fahrt angetreten werden. In Sizilien kamen sie nicht auf die ersten Plätze, aber bei internationaler stärkster Konkurrenz kamen die Steigerfahrer nach Bugatti und Brennabor ins Ziel. Der sechste Platz beim größten Rennen der Welt gehörte den Burgriedenern.

Einige Tage später kam die Steiger-Mannschaft nach Burgrieden zurück und wurde wie üblich mit Musik und einem Empfang geehrt. Derartige Empfänge hatten nicht selten die Ausmaße eines Dorffestes. Der kleine Walther stand an der Trommel der Musikkapelle und freute sich wie die anderen. Doch Walther Steiger sen. erste Tat nach der Ankunft war, daß er seinen Sohn verprügelte, weil er ihm die Luft aus den Reifen gelassen hatte. Als Walther jun. später zu Wort kam und seinem Vater erklärte, wie es wirklich war, entließ der     fristlos den Anstifter der Tat. Der Ingenieur mußte das Werk verlassen.

Der folgenschwerste Lausbubenstreich, so   berichtet Walther Steiger jun., ereignete sich an einem Sonntag. Ein Onkel von Walther war mit seinen Kindern zu Besuch in Burgrieden. Für die Kinderschar war das Automobilwerk ein idealer, aber gefährlicher Abenteuerspielplatz. Da sämtliche Hallen und Werkstätten verschlossen waren, mußte das Freigelände herhalten. Im abgeschlossenen Hofbereich standen auch immer mehrere abholbereite Fahrzeuge. Daß so ein neues Auto ein Anziehungspunkt für kleine Jungen war, leuchtet ein. Der kleine Walther setzte sich mit seinem etwas älteren Cousin Robert in einen fabrikneuen Tourenwagen. Das Fahrzeug sollte am darauffolgenden Tag vom Kunden abgeholt werden. Walther sagte einige Male zu seinem Vetter, daß er an den Hebeln nicht herum spielen dürfe. Doch plötzlich löste der „Möchtegern- fahrer“ die Handbremse und das Fahrzeug begann im leicht abschüssigen Hof zu rollen. - Zum Stillstand kam es erst, als eine Fabrikmauer den Weg für das Fahrzeug versperrte. Das Ergebnis war eine satte Portion Verformungsarbeit, ... der komplette vordere Bereich des Fahrzeugs war platt. Die beiden Lausbuben blieben, bis auf das Gesäß, unverletzt. Dies wurde nämlich durch die väterliche Strafe strapaziert! Wieder einmal mußte der kleine Walther den Sündenbock spielen.

Walther Steiger ist am 14. Oktober 1996 verstorben. Er hat durch Erzählungen aus seiner Kindheit auch einiges zu dieser Chronik beigetragen. Einmal bekannte er in seiner schwäbischen Mundart: „I hab viel Schläg griagt, aber immer no z’wenig, für des, was i ällz agstellt hab!“ Mit ihm ist ein weiteres Stück der Automobilgeschichte verloren gegangen.

Eine einmalige Anekdote, mit Jonas Ambacher: Es war jedem Arbeiter bekannt, und es stand auch auf zahlreichen Schildern im Werk, daß das „Rauchen streng verboten“ war. Jonas Ambacher, ein Unikum das wohl schon mit der Pfeife im Mund auf die Welt kam, kannte zwar die Bestimmung, aber schließlich war der Chef ja nicht überall, sodaß er hin und wieder doch im Betrieb rauchte. Jonas hatte in den Wintermonaten die Aufgabe, die großen Öfen im Betrieb zu heizen. Eines Tages im Sommer, als  Jonas wieder einmal verboten im Betrieb rauchte, suchte er Deckung an einem der großen Öfen, als der Chef vorbei lief. Walther Steiger stellte ihn zur Rede, was er denn da  mache. Jonas antwortete neben dem kalten Ofen stehend: „Schüra Herr Steiger, i dur schüra“

(„schüra“ = Asche aus dem Brennraum des Ofens entfernen).